Der Oberbürgermeister hat in der Einwohnerversammlung ausgeführt, dass die Fläche schon seit vielen Jahren als Wohnbaufläche im Nutzungsplan ausgewiesen ist und man das jetzt zur Umsetzung bringen will. Das bedeutet aber nicht automatisch, dass man eine Bebauung machen MUSS … Vor allem nicht dann, wenn sich gesellschaftliche und wirtschaftliche Rahmenbedingungen so massiv ändern/geändert haben wie jetzt.
Worauf basiert die allgemeine und immer wieder gern bemühte Aussage, dass Weimar Zuzug und nicht genug Wohnraum hat? Schafft man nicht den Zuzug erst künstlich, indem man (attraktive) Wohngebiete errichtet? Menschen, die sich sonst Wohnalternativen im Umland gesucht hätten und für die Entwicklung der anderen Gemeinden Sorge getragen hätten, ziehen in die Stadt. Man schwächt damit ländliche Strukturen im Umland.
Die Frage ist, wie viel Bevölkerungswachstum kann/sollte sich die Stadt Weimar leisten, um nicht ihrerseits an Grenzen zu stoßen und weiterhin attraktiv bleiben zu können? Dabei geht es speziell um die Infrastruktur und deren Folgekosten. Beispiel: Ziehen Familien hierher, brauchen die Kinder KiTa-Plätze und Schulen. Woher sollen diese kommen? Die bestehenden Klassen (z. B. Parkgrundschule/Goethegymnasium) platzen jetzt schon aus allen Nähten! Vor allem - wer finanziert das in Zukunft?
Die Fläche wird verkauft, weil die Stadt die Einnahmen benötigt, um ihre aktuellen Projekte finanzieren zu können. Wie kurzfristig ist das gedacht, wenn sich daraus Folgekosten in viel größerer Höhe ergeben? Weshalb wird das Ganze gerade jetzt zeitlich so forciert, wo aktuell noch die Wohnprojekte Lützendorfer Straße im Abschluss, Baumschulenweg im Entstehen und Schlachthofgelände (mit 500 Wohneinheiten) in der Planung sind?
Ein Zeichen vorausschauender Stadtentwicklung wäre, diese Projekte zum Ende zu bringen und dann zu schauen, wie diese angenommen werden und was darüber hinaus in den nächsten Jahren tatsächlich gebraucht wird.Unbefriedigend ist die Aussage der Stadt, dass man (weil es noch keinen fertigen Bebauungsplan gibt), derzeit nicht weiß, wie viele Wohneinheiten und welche Art Wohnen entstehen sollen.
Ein Verkehrskonzept ist nicht vorhanden. Die schwierige Frage der Zuwegung ist ungeklärt.
Ein zukünftiges Verkehrskonzept wird auch die Frage nicht beantworten können, wie eine sichere Verkehrsführung für Autoverkehr, Radfahrer und Fußgänger gestaltet werden können, da die möglichen Zufahrtsstraßen Merketalstraße und Albert-Kunz-Straße wesentlich zu schmal sind, teils mit Bebauung bis direkt an die Bürgersteige. Ein weiterer Fakt ist, dass die Belvederer Allee mit ihrer mehrreihigen Baumpflanzung unter Denkmalschutz steht (kennzeichnendes Straßenbild/ Historische Park-und Gartenanlage § 2 Abs. 4 und 6 ThürDSchG) und so eine Kreuzungsverlegung oder Kreisverkehrsgestaltung nicht möglich ist. Der jetzige Feldweg über Rilkestraße/ Obere Merketalstraße/ Goethewanderweg bietet ebenso nicht ausreichend Platz für eine zeitgemäße Zufahrtsstraße.
Eine andere Erschließung ist durch die Begrenzung einerseits durch ein Naturschutzgebiet (Schanzengraben) andererseits durch Agrarflächen nicht möglich.
Durch eine Verdichtung des Wohnviertels durch eine Bebauung der Ackerflächen Merketal würde für das gesamte Gebiet ein enorm höheres Verkehrsaufkommen entstehen, was die Attraktivität und den Wohnwert stark schmälert. Parallel dazu verschwindet Grün unter Beton.
Weimar ist sehr attraktiv und hat es in den letzten Jahren auch gut verstanden, sich behutsam zu entwickeln, indem innerstädtische Baulücken geschlossen oder kleinere Wohngebiete (z. B. Tiefurt, Schießhaus) entwickelt wurden etc.. Die aktuelle Bebauungstendenz wirkt jedoch wie „Wohnen mit der Brechstange“... Erschließen, was nur geht, ohne Rücksicht auf Verluste.
Das Thema ist auf höchster politischer Ebene angebunden; es geht um Erderwärmung durch Verlust von Naturräumen, Verschwinden von Wald, Versiegelung von Flächen etc. Im Großen kann hier doch nur eine Wende gelingen, wenn im Kleinen damit begonnen wird.
Und dafür tragen auch die Entscheider in der Stadtverwaltung Verantwortung. Eine Bebauung unter diesen Prämissen ist völlig kontraproduktiv – das Merketal dient als Frischluftkorridor für die Stadt (es ist hier immer ca. 2 Grad kälter als in der Innenstadt), befindet sich zwischen zwei geschützten Flächen (Schanzengraben), bei Starkregen nimmt das Feld Wasser auf etc. Das alles soll zubetoniert werden?
Weshalb leistet Weimar einen Beitrag zum Verschwinden von landwirtschaftlich genutzten Flächen? Landwirte beklagen, dass ihnen immer mehr Flächen abhanden kommen. Wer soll uns künftig ernähren, wenn alle dabei mitmachen, weil es vielleicht jeweils nur eine kleine Fläche ist?
Glaubt man den Berichten in den Medien, steht uns auf längere Sicht der Verlust von sehr vielen Arbeitsplätzen und Umbau ganzer Branchen bevor. Davon ist auch Thüringen (Automobil, Zulieferer etc.) und Weimar (Veranstaltungen, Kunst, Kultur, Gaststätten, Tourismus) sicherlich betroffen. Die wirklichen Folgen kann heute noch keiner genau voraussagen. Wer soll sich also bei verlorenem Job oder vermindertem Einkommen die (teuren) Neubauten leisten können? Auch Kreditvergaberichtlinien bei Banken werden zukünftig strenger ausfallen und es besteht zu vermuten, dass die Zeit des „lockeren Geldes“ in naher Zukunft vorbei sein könnte. Hier kommen wir wieder zum Punkt Stadtentwicklung zurück, wonach es ratsam wäre, dass kluge Stadtväter richtig daran tun würden, jetzt erst einmal abzuwarten, welche Folgen sich aus so einschneidenden Entwicklungen wie der Corona-Pandemie ergeben.